28 TIPPS Das Stadtgespräch WIEDERENTDECKT: SCHOLEM ALEJCHEM Tewje, der Milchmann »Wenn ich einmal reich wär’«, singt der Milchmann Tewje im Musical »Anatevka«, das auf Scholem Alejchems jiddischem Schicksalsroman basiert. Arm an Geld, reich an Kindern, träumt Tewje von einem erfüllten Leben ohne Entbehrungen und Demütigungen. Doch das Schicksal will es anders und stellt seinen Glauben auf eine schwere Probe. Tewje ist ein moderner Hiob – eine Dulderseele, die wahrlich allen Grund hätte, mit Gott zu hadern: Nach einem unverhofften Geldsegen wendet sich plötzlich das Blatt. Er muss mitansehen, wie seine Familie auseinanderbricht, wie sich das ganze Dorf gegen ihn stellt. So bleibt er am Ende allein in der Welt zurück, mit nichts als seinem Gottvertrauen und einem unerschütterlichen Humor. Scholem Alejchem hat durch sein berührendes Hauptwerk das Jiddische erstmals in den Rang einer Literatursprache erhoben und der ostjüdischen Welt mit ihren Archetypen ein Denkmal gesetzt. Hinter dem privaten Schicksal Tewjes und der Schtetl-Idylle von 1900 zeichnet sich schon der Wahnsinn des bevorstehenden Weltenbrandes ab, von ferne kündigen sich Revolutionen, Pogrome, Vertreibungen an. Doch im »Tewje« ist all diesen Bedrohungen ein humanes, verschmitztes Trotzdem entgegengestellt, das Trotzdem des wahren Humoristen, der selbst unter Tränen noch lacht. Zum einhundertsten Todestag des Scholem Alejchem (1859-1916), eigentlich Schalom Rabinowitsch, bringt der Manesse Verlag die gebundene Ausgabe im Großformat (also in normaler Buchgröße, nicht in der kleinformatigen Bibliothek der Weltliteratur) heraus. Aus der Ukraine stammend, wanderte der Autor 1905 in die Schweiz und dann nach Amerika aus. Bereits mit einundzwanzig Jahren Rabbiner, begründete er mit lebensnahen Milieu-Romanen seinen Ruf als größter Humorist der jiddischen Literatur. Die von ihm geschaffenen Charaktere aus allen Schichten des jüdischen Volkes Osteuropas haben geradezu metaphorische Bedeutung erlangt. Als er im Mai 1916 starb begleiteten 150.000 Menschen seinen Sarg auf den Friedhof von Brooklyn. Mit der Neuübersetzung nach mehr als achtzig Jahren liegt der Roman nun zum ersten Mal in einer vollständigen deutschen Fassung vor. Für die gelungene Übersetzung und das kenntnisreiche Nachwort zeichnet Armin Eidherr verantwortlich, der auch Herausgeber der Jiddischen Bibliothek ist und für seine Übertragungen des Jiddischen ins Deutsche ausgezeichnet wurde. Der wohl berühmteste Episodenroman des Jiddischen umfasst einschließlich des Nachworts sowie editorischer Notizen 277 Seiten und kostet 24,95 Euro. DON WINSLOW DON WINSLOW Germany Als letztes Jahr der gefürchtete Boss des mexikanischen Sinaloa- Kartells Joaquín Guzmán, genannt El Chapo, mittels eigener Moped- Metro aus dem angeblichen Hochsicherheitsgefängnis entkam, konnte ich nur müde lächeln über
TIPPS 29 die Spekulationen in der Presse. Als Leser von Tage der Toten und Das Kartell war mir – und mit mir einigen Hunderttausend anderen Lesern auch – sofort klar, wie diese Flucht gelaufen war. Zu gut hat Winslow den Filz aus Geld, Macht und Politik, der durch Korruption zusammengehalten wird, in langen Jahren recherchiert. Doch Winslow kann mehr als über Drogenbosse zu schreiben. In seinem neuen Roman, den Fans mit Spannung erwartet haben (längst zähle ich dazu), tritt wieder der wortkarge, unbestechliche Privatermittler Frank Decker auf. Der ehemalige Soldat und Ex-Polizist kann vor allem eines: vermisste Personen aufspüren. Das tut er ohne Rücksicht auf Verluste, auch eigene Verluste. Wie ein Terrier verbeißt er sich in seine Aufgabe, die ihm erst dann Ruhe lässt, wenn die vermisste Person gefunden ist. Sein neuester Fall beginnt nach einem langen Wochenende der Jungs von früher. Sein alter Kumpel Charlie ist mittlerweile ein Baulöwe, der im Geld schwimmt. Er hat die ganze Bande, die sich aus dem Irakkrieg kennt, im Winter zu einem Wiedersehen im sonnigen Florida eingeladen. Doch während die anderen Jungs schon abgereist sind, wendet sich Charlie an Decker, denn Kim, die Frau des stinkreichen Bauunternehmers, ist spurlos verschwunden. Die ehemalige Schönheitskönigin ist nicht nur eine Schönzeit, sondern noch dazu ausgesprochen nett, ein Südstaatenmädchen wie es im Buche steht mit einer Herzlichkeit, mit der sie selbst kritische Frauen für sich gewinnen kann. Frank Decker ist Charlie und seiner Frau als Freund zugetan. Aber Frank ist auch Profi genug, um hinter die allzu glatte Fassade zu schauen. Seine Spürnase verrät ihm, dass Charlie und Kim vielleicht doch nicht die perfekte Ehe geführt haben. Seine Recherche führt ihn zunächst von der reiche-Leute- Gegend Coral Gables ins Hinterland von Florida, zu den Wurzeln Kims. Auch mit ihrer besten Freundin ist irgendetwas nicht in Ordnung, wie der Privatschnüffler schnell entdeckt. Letztendlich reist Frank sogar ins ungemütlich winterliche Deutschland, das er schon früher von seiner dunklen Seite kennengelernt hat, die ihn zu der Erkenntnis geführt hat: Mit Sex wird hier mehr Geld verdient als bei Porsche und Adidas. Irgendwie wird man als deutscher Leser das Gefühl nicht los, dass Winslow seine amerikanisch puritanischen Wurzeln beim Thema Sex nur schwer verleugnen kann. Aber das tut dem Roman keinen Abbruch. Je mehr Frank aufdeckt, desto mehr wird ihm klar, dass sein alter Kumpel Charlie entweder über einiges nicht Bescheid wusste oder, fast noch schlimmer, dass er Erkenntnisse hatte, die er Frank verheimlicht hat und die für diesen ausgesprochen gefährlich werden können. Über die Übersetzung muss ich noch ein bisschen meckern, aber ein paar, wenn auch wirklich wenige Sachen sind einfach falsch übersetzt. Vielleicht aus mangelnder Landeskenntnis, denn eine Shopping-Mall in den USA hat in der Regel kein Theater – SONNIGE AUSSICHTEN Einstärken-Sonnengläser SCHÜRENSTR. 1 SASSENBERG TEL. 02583 / 22 66 ab 33,- Paar* theater ist kurz für movie theater und das ist schlicht ein Kino. Aber so richtig wichtig ist das wohl nicht. Viel wichtiger sind die gute gemachte Story, die Spannung und auch die Figuren, die meist mehr als ein Gesicht haben – wie im wirklichen Leben halt. Erschienen ist Germany als Taschenbuch bei Knaur, 379 Seiten, 14,99 Euro. Wer sich lieber vorlesen lässt, sollte zum Hörbuch greifen. Die komplette Lesung dauert sieben Stunden (sechs CDs), ist als Argon Hörbuch erschienen und kostet 19,95 Euro. Sprecher ist Martin Kessler, die deutsche Stimme von Nicholas Cage. SOMMERTRENDS 2016 AUCH IN IHRER SEHSTÄRKE Gleitsicht-Sonnengläser ab 149,- Paar** *sph ± 6,00 cyl + 2,00 **sph ± 6,00 cyl +4,00. Add 1,0-3,0 BERLINER STR. 17 RHEDA-WIEDENBRÜCK TEL. 05242 / 4 31 01 MARKUS EBERT Wie man Italiener wird Der eigentliche Titel des Buches, das sich von der Vorder- und der Rückseite aus lesen lässt, heißt: Wie man Italiener wird in 30 Lektionen / Come diventare italiano in 30 lezioni. Flip-Buch nennt man sowas wohl heute. Aber egal: Wer jemals einen VHS-Kursus Italienisch belegt hat, sollte darüber nachdenken, seine Kenntnisse mit Hilfe dieses Büchleins wieder aufzufrischen. Und dabei geht es bei weitem nicht nur um reine Sprachkenntnisse. WWW.OPTIK-KESSNER-HEIMANN.DE GmbH
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