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Das Stadtgespräch November 2015

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Magazin für Rheda-Wiedenbrück

38 portraitserie

38 portraitserie Das Stadtgespräch Von Angesicht zu Angesicht Eine Portrait-Serie mit Menschen in Rheda und Wiedenbrück Von Andreas Kirschner Judith Gilsbach Andreas Kirschner: Mit dieser Portrait-Serie möchte ich kleine Brücken schlagen. Wen aus dem Schwester-Stadtteil schlagen Sie vor für ein weiteres Portrait und warum wählen Sie gerade diese Person aus? Judith Gilsbach: Ich möchte Michelle Monkenbusch vorschlagen, weil sie immer sehr engagiert ist. So war sie z.B. Jahrgangsstufensprecherin an unserer Schule. Ich denke, sie kann interessante Gedanken beitragen. Michelle Monkenbusch Geboren: 1996 Beruf: angehende Studentin Foto: am 18. September 2015 in Wiedenbrück Andreas Kirschner: Der Schriftsteller Burkhard Spinnen dichtete in seiner Ode an die Stadt: »Ruhe – aus Dauer und aus menschlichem Maß« sei das, was Rheda und Wiedenbrück gemeinsam haben, trotz aller Unterschiede. Wo finden Sie Ruhe? Michelle Monkenbusch: Wenn ich richtig runter kommen möchte, dann bin ich zu Hause oder bei meinem Freund. Wenn es aber mehr Action sein darf, um den Alltagsstress zu vergessen, dann bin ich bei TEN-SING, das ist eine evangelische Jugendgruppe. Dort wird sehr viel Musik gemacht und das gibt mir unheimlich viel Kraft. Wenn wir für ein Konzert arbeiten, dann ist es echt stressig und hinterher bin ich geschafft, aber ich konnte auch Kraft auftanken. TEN-SING ist stadtteilübergreifend und das gefällt mir besonders daran. Ein anderer Ort, an dem ich zur Ruhe komme, ist bei unseren Pferden. Mit den Pferden kann ich reiten oder Kutsche fahren und wenn ich will, kann ich mich den ganzen Tag mit ihnen beschäftigen. Wenn man diese Tiere liebt, geben sie einem diese Zuwendung auch voll und ganz zurück. Wenn ich den ganzen Tag in der Schule über Klausuren gehockt habe, dann ist die Arbeit mit den Pferden ein entspannender Ausgleich. Andreas Kirschner: Warum leben Sie in Rheda-Wiedenbrück und nicht irgendwo anders? Michelle Monkenbusch: Einfach weil ich hier reingeboren wurde. Mein Vater kommt aus Rheda- Wiedenbrück und meine Mutter aus Langenberg. Wobei ich ja mittlerweile 19 Jahre alt und aus der Schule raus bin, also theoretisch alt genug, um von hier weg zu ziehen. Ich plane auch ins Ausland zu gehen. Ich möchte gerne in eine Großstadt und die Welt kennen lernen, aber irgendwie ist Rheda-Wiedenbrück auch ein Wunschort für mich. Es ist so ein Zwischending zwischen Kuhdorf und Metropole. Im Endeffekt hat Rheda-Wiedenbrück alles, was man braucht. Ich kann mir super vorstellen, später hier meine Kinder groß zu ziehen. Neulich bei Facebook habe ich ein paar Großstadtkinder gesehen und was die so teilweise posten, da denke ich gut, dass ich hier in unserer Kleinstadt lebe. Andreas Kirschner: Gibt es etwas, dass Sie stört an Ihrer Stadt und das Sie hier und jetzt ändern würden, wenn Sie völlig frei entscheiden dürften? Michelle Monkenbusch: Mich stört die mangelnde Grünpflege. Wenn ich ausreite im Wald, habe ich immer wieder Probleme mit Michelle Monkenbusch vielen Ästen, die relativ weit in den Weg hineinragen. Ich glaube, dass die Äste auch die Jogger ziemlich stören. Auch bei den Radwegen fällt mir das auf. Oft sind die stark zugewachsen und eigentlich müsste das im Frühjahr weggeschnitten werden, aber oft passiert es erst zum Ende des Sommers. Was mich auch ein wenig stört, ist dass manche Straßenzüge ein wenig trist und eintönig aussehen. Da fehlt es oft an Abwechslung und vielleicht sollten die Bauvorschriften etwas mehr Spielraum für Fantasie und Farbe zulassen. Andreas Kirschner: Wenn Sie über Ihre Stadt nachdenken und vielleicht auch etwas rumspinnen dürfen, was erträumen Sie sich für die Zukunft von Rheda- Wiedenbrück? Michelle Monkenbusch: Ich fände es total cool, wenn es in Rheda- Wiedenbrück freie öffentliche Flächen für Kunst gäbe. Ich denke zum Beispiel an die vielen Autobahn- und Bahnunterführungen, die heute total schäbig aussehen. Foto: Andreas Kirschner Wäre es nicht viel ansprechender, wenn man auf diesen oder anderen Flächen jungen Malern und Graffiti-Künstlern die Möglichkeit geben würde, ihre Werke der Öffentlichkeit zu zeigen? Vielleicht kann man ein Projekt starten, in dessen Rahmen diese Flächen regelmäßig alle drei Monate weiß gestrichen werden, damit immer wieder frische neue Werke entstehen können. Dann könnten Graffiti-Künstler ihre Bilder großflächig bei Tageslicht sprayen. Vielleicht würde auf diese Weise sogar manche Fassade von illegalen Graffitis verschont bleiben. Etablierte Kunst gibt es schon an vielen Stellen in der Stadt, aber jugendlicher Kunst wird relativ wenig Raum gegeben. Ich glaube, ein solches Projekt würde viel positive Resonanz bekommen und vielleicht sogar einen Sponsor finden. Es gibt schon den Skater- Park, der sehr gut angenommen wurde und ich glaube aus dieser Szene heraus könnte sehr viel Kreatives, Buntes entstehen. Das

portraitserie 39 würde unser Stadtbild auflockern und ein wenig jugendlicher und attraktiver machen. Sprüchen unter Jugendlichen wie: »Das ist ja nur ein Rentnerdorf hier!« würde das entgegenwirken. Andreas Kirschner: Was halten Sie von den Vorurteilen, die die Stadtteile gegenseitig pflegen? Michelle Monkenbusch: Während meiner Kindheit habe ich davon relativ wenig mitbekommen. Als Kind war ich kaum in Rheda, aber zum Beginn der weiterführenden Schule wurde das ein Thema. In meiner Schule in Gütersloh waren die Klassen getrennt in eine Rheda- und eine Wiedenbrück-Klasse und dadurch war eine gewisse Konkurrenz vorprogrammiert. Später kam es immer mehr zu einer Durchmischung und irgendwann wurden die Unterschiede nur noch spaßig gesehen. Ich glaube, dass mit der Zeit bei den jüngeren Generationen diese Vorurteile immer weniger Bedeutung haben werden. Als Kind habe ich noch Wert auf die Stadtteilzugehörigkeit gelegt. Heute sage ich mir, es ist im Endeffekt eine Stadt und ich finde es lächerlich, dass sich einige wenige immer noch in dem Thema verbeißen. Ich spüre bei allen Unterschieden zwischen Rheda und Wiedenbrück kaum noch Konkurrenz. Aber vielleicht macht das ja gerade unsere Stadt aus, dass es Unterschiede gibt und Rheda-Wiedenbrück dadurch so vielseitig ist. Andreas Kirschner: Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an Rheda und an Wiedenbrück? Gibt es Kindheitsabenteuer, die Sie mit den Stadtteilen verbinden? Michelle Monkenbusch: Mit meinen Freundinnen habe ich in Wiedenbrück gespielt. Viel Zeit haben wir auch im Wiedenbrücker Freibad verbracht. Das war immer toll. Es gibt ein Erlebnis meiner Kindheit, das ich mit Rheda verbinde. Meine ältere Schwester hat mich mitgenommen ins Freibad nach Rheda, weil ihre Freundinnen dort wohnten. Ich war ganz stolz, dass wir diese für mich super lange Strecke in weniger als zehn Minuten mit dem Fahrrad geschafft hatten. Ich war ganz fasziniert, dass wir so schnell in dem »weit entfernten« Rheda angekommen waren, denn als Kind waren diese Dimensionen für mich riesig. Die schönsten Erinnerungen der letzten Jahre habe ich an meine Zeit bei TEN-SING. Ein Schlüsselerlebnis war das große Konzert im Reethus mit all seinen Vorbereitungen, aber auch die gemeinsam mit allen Jugendlichen verbrachte Nacht nach dem Konzert. Das sind die emotionalsten Erinnerungen und die TEN-SING Zeit hat mich am meisten in meiner Persönlichkeit bestärkt und reifen lassen. An das erste Mal übernachten im Schnittker-Haus werde ich in zwanzig Jahren noch denken. Ich weiß noch, dass ich nach dem Konzert mit den »großen« TEN- SINGern im Technik-Bulli mitfahren durfte, zwischen all den Geräten und Stangen. Das war ganz aufregend – wow! Andreas Kirschner: Wann entlockt Ihre Stadt Ihnen kleine oder große Glücksmomente? Michelle Monkenbusch: Das passiert, wenn ich durch die Stadt laufe und Leute treffe, die ich kenne und die mir vertraut sind. Das passiert ziemlich oft und das finde ich cool. Deswegen finde ich auch die Kirmes und Karneval total super. Eigentlich ist das Schönste an Rheda-Wiedenbrück, dass man immer wieder Menschen trifft, die man kennt. Da sind Kirmes und Karneval jedes Jahr ein Highlight. Ich wohne hier in einer kleinen heimischen Welt, mit meiner Familie und mit meinen Freunden und Nachbarn. Ich kann mir meine Kopfhörer aufsetzen, laufe 10 Minuten durchs Grüne und bin in der Innenstadt und kann einkaufen oder Leute treffen. Das kann mir keine Großstadt bieten. Wenn man mich fragt, dann hat Rheda- Wiedenbrück eine perfekte Größe.

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